Als Anfang des Jahrtausends einige Konzerne im Rahmen ihrer jährlichen Seefracht-Tender damit begannen, das Umweltengagement bei den Reedereien abzufragen, war Ikea einer davon.
Foto: IKEA GmbH
Um allerdings wie geplant bis zum Jahr 2030 klimapositiv zu werden und dafür die CO₂-Emissionen im Vergleich zu 2016 um 15 Prozent zu senken, muss sich der Möbelriese künftig jedoch etwas stärker ins Zeug legen. Schließlich konnte das Unternehmen laut Klimabericht seinen CO₂-Fußabdruck im Geschäftsjahr 2021 zwar im Vergleich zum Basisjahr 2016 um 5,8 Prozent senken, verzeichnete aber aufgrund steigender Umsätze einen Anstieg von 5,7 Prozent im Vergleich zu 2020.
Da unter anderem in Frankreich der Anteil des Onlinegeschäfts von 10 Prozent im Jahr 2019 auf 20 Prozent gestiegen ist, umfasst dies auch die Reduzierung der CO₂-Emissionen bei der Zustellung an Endkunden. „Bereits 2014 hatten wir ein Projekt zur Entwicklung einer Filiale in der Nähe der Seine und begannen zu analysieren, wie wir unsere Kunden in Paris direkt über den Fluss und auf den letzten Kilometern mit Elektrofahrzeugen beliefern können“, berichtet Projektleiterin Emilie Carpels. Nun startete am 7. Dezember 2022 die Flussbelieferung mit einem Schiff und 13 E‑Lkw als dauerhaftes Angebot an die Pariser Kunden.
Täglich 455 Bestellungen
„Die größte Herausforderung war die Sicherung des Geländes in der Nähe des Flusses: eines für unser Lager und eines in der Innenstadt für das Entladen der Container“, erläutert die Projektleiterin. „Wir brauchten eine geeignete Lösung für die multimodale Logistik, die Fluss und E‑Fahrzeuge kombiniert.“ Verwendet werden leicht verladbare und speziell von Box2Home entwickelte Wechselbehälter mit einem Fassungsvermögen von 18 Kubikmetern. „Jede dieser Boxen kann im Durchschnitt 13 Bestellungen enthalten“, erläutert Carpels. Bereits im Januar dieses Jahres will Ikea jeden Morgen 35 dieser Kisten entladen, was 455 Bestellungen pro Tag entspricht.
Wer im Geschäft kauft oder online ordert, dessen Bestellungen werden in Containern gesammelt und per Barge vom vorgelagerten Hafen Gennevilliers im Westen der Hauptstadt (rund 15 Kilometer nordwestlich vom Pariser Zentrum) zum Hafen Bercy im 12. Arrondissement transportiert, was etwa dreieinhalb bis vier Stunden dauert. Dort werden sie dann für die letzte Meile auf Elektrofahrzeuge umgeladen. Nutzen können dieses Angebot 80 Prozent der Pariser Kunden. Ausgenommen sind lediglich die Bewohner des 17. und 18. Bezirks, die ausschließlich mit E‑Fahrzeugen aus dem mehrstöckigen Lager in Gennevilliers direkt beliefert werden.
300.000 Lkw-Kilometer gespart
„Wir schätzen, dass durch dieses Logistiksystem 300.000 Kilometer pro Jahr an Lkw-Transporten von den Depots nach Paris eingespart werden können“, so die Projektleiterin. Nach Erhebungen der französischen Behörde Agentur für Umwelt- und Energie (ADEME) werden beim Flusstransport – je nach Schiffstyp, Ladung und Wasserstraße – pro transportierter Tonne bis zu fünfmal weniger CO₂ ausgestoßen als beim Straßentransport mit durchschnittlich zwischen 8,8 und 37,4 Gramm CO₂ pro Tonnenkilometer.
Zudem gebe es keine unregulierten Partikelemissionen, beispielsweise durch den Abrieb von Reifen und Bremsbelägen auf der Straße. Nach den von der staatlichen französischen Wasserstraßenverwaltung VNF (Voies navigables de France) zusammengefassten Erhebungen der ADEME verbraucht der Flusstransport außerdem mit 0,086 Kilowattstunden pro Tonnenkilometer gegenüber 0,3058 beim Straßentransport fast viermal weniger Energie, in städtischen Gebieten bis zu zehnmal weniger. Ganz neu ist der Ansatz von Ikea nicht. Franprix setzt bereits seit zehn Jahren auf die Seine und schlägt dafür Container mit Waren mitten in Paris vom Schiff auf Lastwagen um. Anders als bei der Supermarktkette, die auf diesem Weg ihre Geschäfte in der Stadt beliefert, zielt das Modell der Schweden jedoch darauf ab, die letzte Meile bis zur Haustür des Endkunden – also das B2C-Geschäft – emissionsfrei zu gestalten.
Andere Häfen sollen folgen
Ein weiterer Pluspunkt ist die Vermeidung von Verkehrsstaus am Stadteingang. Darüber hinaus ermögliche es diese multimodale Anlieferung, die CO₂-armen Zonen zu antizipieren, die voraussichtlich bald in Paris eingerichtet werden und dann die Einfahrt von Fahrzeugen mit konventionellem Antrieb in die Stadt verbieten. Weitere Vorteile sind Carpels zufolge weniger Lärm, mehr Effizienz und ein verbesserter Kundenservice durch eine pünktlichere Belieferung.
„Wir haben auch sehr von der Partnerschaft mit dem HAROPA-Hafen profitiert und erhielten wichtige Unterstützung von VNF und der Region Paris“, so die Projektleiterin. Finanziell wurde das Projekt von der Region Île-de-France im Rahmen ihrer regionalen Strategie für den Güterverkehr und die Logistik bei der Entwicklung der Box2Home-Lösung und des multimodalen Containers unterstützt, und zwar im Rahmen der Beihilferegelung für die Verkehrsverlagerung auf die schiffbaren Wasserstraßen Frankreichs (Plan d’aide au report modal de Voies navigables de France).
Ziel ist es, dieses System ab 2026 von einem anderen Hafen in Limay-Porcheville aus zu replizieren, der ebenfalls Pariser Kunden beliefert. Dort, 50 Kilometer von Paris entfernt, besitzt Ikea bereits ein 16 Hektar großes Gelände, um ein neues Lager zu errichten. Von hier soll dann das Gebiet von der Île-de-France rund um die Hauptstadt bis in den Westen Frankreichs bedient werden.