[New Commerce]

Schwim­mende Regale

Von Claudia Behrend

Als Anfang des Jahr­tau­sends einige Konzerne im Rahmen ihrer jähr­li­chen Seefracht-Tender damit begannen, das Umwelt­enga­ge­ment bei den Reede­reien abzu­fragen, war Ikea einer davon. 

Eine Wech­sel­brücke wird im Hafen von Bercy vom Schiff zum Dock entladen, bevor sie auf das Elek­tro­fahr­zeug geladen wird. Das Fahr­ge­stell wurde auf diesen spezi­ellen Typ von Kisten angepasst.
Foto: IKEA GmbH

Um aller­dings wie geplant bis zum Jahr 2030 klima­po­sitiv zu werden und dafür die CO₂-Emissionen im Vergleich zu 2016 um 15 Prozent zu senken, muss sich der Möbel­riese künftig jedoch etwas stärker ins Zeug legen. Schließ­lich konnte das Unter­nehmen laut Klima­be­richt seinen CO₂-Fußabdruck im Geschäfts­jahr 2021 zwar im Vergleich zum Basis­jahr 2016 um 5,8 Prozent senken, verzeich­nete aber aufgrund stei­gender Umsätze einen Anstieg von 5,7 Prozent im Vergleich zu 2020.

Da unter anderem in Frank­reich der Anteil des Onlin­ege­schäfts von 10 Prozent im Jahr 2019 auf 20 Prozent gestiegen ist, umfasst dies auch die Redu­zie­rung der CO₂-Emissionen bei der Zustel­lung an Endkunden. „Bereits 2014 hatten wir ein Projekt zur Entwick­lung einer Filiale in der Nähe der Seine und begannen zu analy­sieren, wie wir unsere Kunden in Paris direkt über den Fluss und auf den letzten Kilo­me­tern mit Elek­tro­fahr­zeugen belie­fern können“, berichtet Projekt­lei­terin Emilie Carpels. Nun star­tete am 7. Dezember 2022 die Fluss­be­lie­fe­rung mit einem Schiff und 13 E‑Lkw als dauer­haftes Angebot an die Pariser Kunden.

Täglich 455 Bestellungen

„Die größte Heraus­for­de­rung war die Siche­rung des Geländes in der Nähe des Flusses: eines für unser Lager und eines in der Innen­stadt für das Entladen der Container“, erläu­tert die Projekt­lei­terin. „Wir brauchten eine geeig­nete Lösung für die multi­mo­dale Logistik, die Fluss und E‑Fahrzeuge kombi­niert.“ Verwendet werden leicht verlad­bare und speziell von Box2Home entwi­ckelte Wech­sel­be­hälter mit einem Fassungs­ver­mögen von 18 Kubik­me­tern. „Jede dieser Boxen kann im Durch­schnitt 13 Bestel­lungen enthalten“, erläu­tert Carpels. Bereits im Januar dieses Jahres will Ikea jeden Morgen 35 dieser Kisten entladen, was 455 Bestel­lungen pro Tag entspricht.

Wer im Geschäft kauft oder online ordert, dessen Bestel­lungen werden in Contai­nern gesam­melt und per Barge vom vorge­la­gerten Hafen Genne­vil­liers im Westen der Haupt­stadt (rund 15 Kilo­meter nord­west­lich vom Pariser Zentrum) zum Hafen Bercy im 12. Arron­dis­se­ment trans­por­tiert, was etwa drei­ein­halb bis vier Stunden dauert. Dort werden sie dann für die letzte Meile auf Elek­tro­fahr­zeuge umge­laden. Nutzen können dieses Angebot 80 Prozent der Pariser Kunden. Ausge­nommen sind ledig­lich die Bewohner des 17. und 18. Bezirks, die ausschließ­lich mit E‑Fahrzeugen aus dem mehr­stö­ckigen Lager in Genne­vil­liers direkt belie­fert werden.

300.000 Lkw-Kilometer gespart

„Wir schätzen, dass durch dieses Logis­tik­system 300.000 Kilo­meter pro Jahr an Lkw-Transporten von den Depots nach Paris einge­spart werden können“, so die Projekt­lei­terin. Nach Erhe­bungen der fran­zö­si­schen Behörde Agentur für Umwelt- und Energie (ADEME) werden beim Fluss­trans­port – je nach Schiffstyp, Ladung und Wasser­straße – pro trans­por­tierter Tonne bis zu fünfmal weniger CO₂ ausge­stoßen als beim Stra­ßen­trans­port mit durch­schnitt­lich zwischen 8,8 und 37,4 Gramm CO₂ pro Tonnenkilometer.

Zudem gebe es keine unre­gu­lierten Parti­kel­emis­sionen, beispiels­weise durch den Abrieb von Reifen und Brems­be­lägen auf der Straße. Nach den von der staat­li­chen fran­zö­si­schen Wasser­stra­ßen­ver­wal­tung VNF (Voies navig­ables de France) zusam­men­ge­fassten Erhe­bungen der ADEME verbraucht der Fluss­trans­port außerdem mit 0,086 Kilo­watt­stunden pro Tonnen­ki­lo­meter gegen­über 0,3058 beim Stra­ßen­trans­port fast viermal weniger Energie, in städ­ti­schen Gebieten bis zu zehnmal weniger. Ganz neu ist der Ansatz von Ikea nicht. Fran­prix setzt bereits seit zehn Jahren auf die Seine und schlägt dafür Container mit Waren mitten in Paris vom Schiff auf Last­wagen um. Anders als bei der Super­markt­kette, die auf diesem Weg ihre Geschäfte in der Stadt belie­fert, zielt das Modell der Schweden jedoch darauf ab, die letzte Meile bis zur Haustür des Endkunden – also das B2C-Geschäft – emis­si­ons­frei zu gestalten.

Andere Häfen sollen folgen

Ein weiterer Plus­punkt ist die Vermei­dung von Verkehrs­staus am Stadt­ein­gang. Darüber hinaus ermög­liche es diese multi­mo­dale Anlie­fe­rung, die CO₂-armen Zonen zu anti­zi­pieren, die voraus­sicht­lich bald in Paris einge­richtet werden und dann die Einfahrt von Fahr­zeugen mit konven­tio­nellem Antrieb in die Stadt verbieten. Weitere Vorteile sind Carpels zufolge weniger Lärm, mehr Effi­zienz und ein verbes­serter Kunden­ser­vice durch eine pünkt­li­chere Belieferung.

„Wir haben auch sehr von der Part­ner­schaft mit dem HAROPA-Hafen profi­tiert und erhielten wich­tige Unter­stüt­zung von VNF und der Region Paris“, so die Projekt­lei­terin. Finan­ziell wurde das Projekt von der Region Île-de-France im Rahmen ihrer regio­nalen Stra­tegie für den Güter­ver­kehr und die Logistik bei der Entwick­lung der Box2Home-Lösung und des multi­mo­dalen Contai­ners unter­stützt, und zwar im Rahmen der Beihil­fe­re­ge­lung für die Verkehrs­ver­la­ge­rung auf die schiff­baren Wasser­straßen Frank­reichs (Plan d’aide au report modal de Voies navig­ables de France).

Ziel ist es, dieses System ab 2026 von einem anderen Hafen in Limay-Porcheville aus zu repli­zieren, der eben­falls Pariser Kunden belie­fert. Dort, 50 Kilo­meter von Paris entfernt, besitzt Ikea bereits ein 16 Hektar großes Gelände, um ein neues Lager zu errichten. Von hier soll dann das Gebiet von der Île-de-France rund um die Haupt­stadt bis in den Westen Frank­reichs bedient werden.