[New Commerce]

Platz für die letzte Meile

Von Hans-Jörg Werth
E‑Commerce treibt die Nach­frage nach Lager­flä­chen weiter in die Höhe. Ein Teil der Lösung könnten konzen­trierte Mikro­hubs in den Städten sein und die Auslie­fe­rung der zuvor geor­derten Waren mit dem Fahrrad. Das fördert die poli­tisch gewollte Mobi­li­täts­wende und spart CO2-Emissionen durch weniger Liefer­ver­kehr, gleich­zeitig wird die Aufent­halts­qua­lität in den (Wohn-)Quartieren gesteigert.

Park­haus­be­treiber Apcoa testet, wie Mikro­hubs in Park­häu­sern in Innen­städten inte­griert werden können. Foto: Apcoa

Die Umschlags­punkte rücken immer näher an die Städte und den Endkunden heran. Es entstehen Dark Stores – Geschäfte oder Distri­bu­ti­ons­zen­tren nur für den Online­handel –, erste doppel­stö­ckige Logis­tik­ge­bäude und jede Menge Mikrohubs.

„E‑Commerce bleibt der Treiber, weswegen die Kunden­nähe und schnel­lere Liefer­ketten zuneh­mend wich­tiger werden als nied­rige Lager­kosten in der Peri­pherie“, sagt Uwe Veres-Homm, Geschäfts­feld­ko­or­di­nator Logistik, Trans­port & Mobi­lität der Fraun­hofer Arbeits­gruppe für Supply Chain Services. „Der stär­kere Wunsch nach schnellen Liefer­zeiten pusht auch den Bedarf nach inner­städ­ti­schen Logis­tik­flä­chen.“ Das gilt vor allem für Lebensmittel-Lieferdienste. Auch wenn der Online­kanal nicht zwin­gend einen höheren Gesamt­um­satz mit Lebens­mit­teln mit sich bringt, seien die urbane Logistik und das Convenience-Bedürfnis der Verbrau­cher nach schnellen und klein­tei­ligen Liefe­rungen von Gütern des tägli­chen Bedarfs mittel­fristig nicht mehr aufzuhalten.

Eine Möglich­keit, die Anzahl der erfolg­losen Zustell­vor­gänge, unnö­tige Stopps und zuge­parkte Wege durch Kurier­fahr­zeuge zu mini­mieren, ist laut Veres-Homm das Bündeln von Sendungen. Anstatt bis zur Haustür zu liefern, könnten KEP-Dienste Pakete und Liefer­dienste frische Ware an einem Quar­tier­standort oder in einem Schließ­fach hinter­legen. Von dort holt der Kunde die Sendung selbst ab.

Die Wech­sel­boxen werden vor den Toren der Stadt befüllt und auf der letzten Meile per Lastenrad transportiert.
Foto: Rytle

Kurze Wege in der Stadt

Auch der Bremer Lasten­rad­an­bieter Rytle möchte die inner­städ­ti­sche Zustel­lung opti­mieren. Das Unter­nehmen agiert etwa 2 Kilo­meter von der Bremer Innen­stadt entfernt, also in den city­nahen Quar­tieren wie der Über­see­stadt. Gründer Arne Kruse erklärt, dass das Unter­nehmen auf möglichst güns­tige Stand­orte für seine Mikro­hubs setzt – beispiels­weise auf Hinterhöfe.

Bei Rytles Lösungs­an­satz handelt es sich um speziell entwi­ckelte 10-Fuß-Container, die mit vorkom­mis­sio­nierten Roll­boxen im Paket­zen­trum beladen werden können und anschlie­ßend mit einem Spezi­al­fahr­zeug ins jewei­lige Zustell­ge­biet trans­por­tiert werden. Von dort werden Pakete per Lastenrad zum Empfänger gebracht.

An anderen Orten Bremens soll die Logistik nicht in den Hinterhof verla­gert werden. Dort wird Platz für Logis­tik­dienst­leis­tungen geschaffen. Der Louis-Krages Logis­tik­park, der gerade im Bremer Indus­trie­hafen entsteht, ist nur 10 Minuten von der City entfernt und liegt somit schon fast auf der letzten Meile. Nicht nur Kontrakt­lo­gis­tiker und Groß­handel finden hier ihren Platz, sondern laut Stefan Fath, Berater für Indus­trie­im­mo­bi­lien bei R.C. Spies, auch regio­nale Mittel­ständler, die selbst Gewerbe- und Logis­tik­dienst­leis­tungen anbieten und klei­nere Miet­flä­chen für Gewerbe‑, Logistik- und Trans­port­dienst­leis­tungen suchen.

„Da Verbrau­cher immer zügi­gere Liefer­zeiten erwarten, benö­tigen Unter­nehmen hoch­wer­tige, gut gele­gene Flächen in der Nähe der von ihnen bedienten städ­ti­schen Gemeinden”, erklärt Emma­nuel Van der Stichele, Chief Execu­tive Officer des Inves­tors und lang­fris­tigen Eigen­tü­mers von Last-Mile-Logistikimmobilien in Europa Mileway. Allein auf dem Brown­field sollen in den kommenden zwei Jahren rund 107.000 Quadrat­meter neue Logis­tik­flä­chen entstehen.

Das kann aber erst der Anfang sein. Denn in einer Zeit, in der auch Manda­rinen online bestellt und bis an die Haustür gelie­fert werden, stößt die Nach­frage auf einen Flächen­mangel. Der Immo­bi­li­en­dienst­leister CBRE rechnet vor, dass der E‑Commerce bis 2025 zusätz­lich mehr als 4 Millionen Quadrat­meter Lager- und Logis­tik­flä­chen in ganz Deutsch­land benö­tigen wird. Ein Teil davon sollte nicht weit von den Innen­städten entfernt liegen.

4 Mio.

Quadrat­meter mehr Logistik- und Lager­flä­chen benö­tigt der Online­handel bis 2025.
Quelle: CBRE

Platz besser nutzen

Das Neudenken hin zur letzten Meile erfor­dert ein hohes Maß an Digi­ta­li­sie­rung und intel­li­gente Nutzungs­kon­zepte, um für reibungs­lose Trans­port­pro­zesse zu sorgen, fügt Veres-Homm hinzu. Deswegen glaubt er, dass Dark Stores in Zukunft auto­ma­ti­siert sein werden.

Eine Möglich­keit bietet das Nano-Warehouse des Münchener Start-ups Noyes. Anstatt in Regalen sollen Waren in einer Art Automat oder großem Schrank mit Schub­laden gela­gert werden. Die Kommis­sio­nie­rung erfolgt auto­ma­tisch und ist somit schneller und lang­fristig gesehen auch güns­tiger, als wenn ein Mitar­beiter die Artikel per Hand zusammensucht.

Des Weiteren benö­tigt das System weniger Platz als Regal­reihen. Laut Noyes können mit dem System bis zu 2.000 Lager­ein­heiten von Waren­gruppen – soge­nannte Stock Keeping Units (SKU) – auf einer Fläche von 30 Quadrat­me­tern und einer Decken­höhe von nur 2 Metern unter­ge­bracht werden. Inner­halb des Systems sind die Artikel sehr eng verstaut. Um daran zu gelangen, lösen Roboter quasi ein riesiges Schie­be­puzzle, bei dem immer nur eine Fläche frei ist, um einzelne Kisten und Schub­laden so zu bewegen, dass die rich­tige zugäng­lich wird. Es soll bereits Verträge mit Express-Lieferdiensten für Lebens­mittel geben. Wo und wer, ist noch nicht bekannt.

Ob nun das klas­si­sche Mikrohub im Container, Logis­tik­parks in den Innen­städten, Schrank­sys­teme oder eine ganz andere Idee, Online­händ­lern sowie KEP- und Liefer­diensten lang­fristig helfen, Zustell­zeiten zu verrin­gern, wird sich zeigen. Denn Schnel­lig­keit wird zwar immer wich­tiger – aber auch Nach­hal­tig­keit und Preise sind weiterhin Aspekte, die bei der Gestal­tung der letzten Meile berück­sich­tigt werden müssen. Und um das alles unter einen Hut zu bekommen, gibt es viel­leicht nicht den einen Königsweg. Am Ende wird die Lösung vermut­lich eine Kombi­na­tion der bekannten Ansätze sein. Wenn sich denn Platz dafür findet.

Im Bremer Louis-Krages Logis­tik­park entstehen 107.000 Quadrat­meter Fläche für Logis­tiker – ganz nah an der Stadt.
Foto: Louis Krages