[Urban Mobility]

Plätze an den Kais der Innen­stadt umkämpft

Von Frank Hütten

Von den rund 16.000 Lkw und etwa 3.000 Vans, die täglich in Brüssel unter­wegs sind, trans­por­tiert etwa ein Viertel Bauma­te­rial, sagt Mark Goosen­aert vom belgi­schen Trans­port­un­ter­nehmen Shipit Multi­modal Logistics.

Möglichst viele dieser Baustel­len­fahrten einzu­sparen, ist Ziel des Brussels Cons­truc­tion Conso­li­da­tion Centre (BCCC), einem Projekt, das von Shipit und vier anderen Part­nern, darunter das Verkehrs­for­schungs­in­stitut der Freien Univer­sität Brüssel, getragen wird.

Citylogistik
Die fran­zö­si­sche Lebens­mit­tel­han­dels­kette Fran­prix nutzt seit 2012 Binnen­schiffe, um ihre Geschäfte in Paris zu belie­fern. Umge­schlagen werden die Waren am Port de la Bour­don­nais, unweit des Eiffel­turms. Für die „­letzte ­Meile“ sollen künftig nur noch gasbe­trie­bene Fahr­zeuge ­einge­setzt werden. Der Dienst­leister XPO Logi­stics erprobt auch den Einsatz von Elektrofahrzeugen.
© Mauritius-Images/Alamy

„Manchmal sieht man Lkw, die nur zwei oder drei Paletten mit Ware auf eine Baustelle bringen“, sagt Goosen­aert. „Das ist natür­lich nicht sehr effi­zient.“ Werde ande­rer­seits eine volle Lkw-Ladung Baustoffe ange­lie­fert, dann könnten diese norma­ler­weise nicht direkt verar­beitet werden. Sie stünden im Weg herum oder würden irgendwo auf der Baustelle abge­stellt, mit dem Risiko, beschä­digt oder gestohlen zu werden oder verlorenzugehen.

440.000 Lkw-Kilometer in Brüssel vermieden

Die Idee des BCCC ist es, Baustoffe statt per Lkw mit dem Binnen­schiff zu zwei Termi­nals am Brüs­seler Kanal zu liefern, erklärt Goosen­aert. Dort werden sie sicher gela­gert und sortiert. Auf Bestel­lung werden dann verschie­dene Mate­ria­lien zu Sendungen zusam­men­ge­stellt, die – maximal zwei bis drei Tage bevor sie benö­tigt werden – mit den am besten geeig­neten Fahr­zeugen zur Baustelle gebracht werden. Deren Lade­ka­pa­zität werde in der Regel zu 90 Prozent genutzt. „Inner­halb eines Radius von jeweils 5 Kilo­me­tern um die BCCC-Terminals werden etwa 70 Prozent aller Baustellen und Einwohner von Brüssel erreicht“, sagt Goosen­aert. Seit Projekt­be­ginn 2022 seien durch BCCC bereits 440.000 Lkw-Kilometer und etwa 220 Tonnen CO₂-Emissionen vermieden worden.

Cargobikes liefern auch Euro­paletten aus

Klei­nere Mengen Bauma­te­rial können auch mal per Cargobike ange­lie­fert werden. Die Koope­ra­tive Urbike habe Baustoffe bereits per Fahrrad trans­por­tiert, sagt deren Mitgründer Renaud Sarrazin. Mit dem Anhän­ger­system Bicy­lift könne inner­halb einer Minute etwa eine mit bis zu 200 Kilo­gramm Ware bela­dene Euro­palette an ein Cargobike ange­hängt werden. Auch der Trans­port von anderen Paletten, Kisten, Roll- oder Kühl­con­tai­nern sei damit möglich. Urbike belie­fert im B2B-Geschäft neben Baustellen auch Apotheken, Alten­heime und Super­märkte und trans­por­tiert vom Super­markt aus auch Waren zu Endverbrauchern.

In einem Radius von 3 bis 5 Kilo­me­tern seien die Cargobikes am leis­tungs­stärksten, sagt Sarrazin. „In den meisten euro­päi­schen Städten könnte eine von vier Belie­fe­rungen mit dem Cargobike erle­digt werden“. In der Koope­ra­tion mit Binnen­schiffen sieht er gute Entwicklungsmöglichkeiten.

Fußgänger und Logis­tiker müssen sich Ufer teilen

Vor allem könnten Fahrrad und Binnen­schiff in den Innen­städten Partner werden, wo wenig Platz zum Umschlagen der Güter ist. „In der Stadt gibt es einen Kampf um die Kais“, sagt Gilles Peyrot. Sein Unter­nehmen Soge­s­tran und dessen Tochter Blue Line Logi­stics bringen in Belgien, den Nieder­landen und Frank­reich Waren wie Getränke, Holz und Baustoffe in Innen­städte, etwa nach Gent oder Paris.
In Paris würden die ursprüng­lich einmal wirt­schaft­lich genutzten Seine­ufer aber seit langem von Joggern und Fußgän­gern frequen­tiert. Sie wieder logis­tisch zu nutzen, sei nicht einfach. Kleine Waren­de­pots zu bauen, sei meis­tens nicht möglich. „Auf dem Pier ist Just-in-time-Anlieferung ange­sagt“, betont Peyrot. Eine digi­tale Waren­ver­fol­gung sei wichtig, damit der reibungs­lose Umschlag von Binnen­schiff auf Gas‑, E‑Lkw oder Cargo¬bike gelinge.

Soge­s­tran wünscht sich emis­si­ons­freie City-Schiffe

Für die City­lo­gistik nutzt Soge­s­tran Schiffe des Typs „Zulu“, mit einer Lade­ka­pa­zität von rund 300 Tonnen. Sie werden von einer Person manö­vriert, verfügen über einen eigenen Lade­kran und sind haupt­säch­lich für den Trans­port von Paletten konstru­iert, mit einer möglichst hoch liegenden Ladefläche.

Auf längere Sicht sollen die Schiffe emis­si­ons­frei fahren. Die „Zulu 3“ habe etwa einen Hybrid­an­trieb und könne Diesel, Biotreib­stoff, Hydriertes Pflan­zenöl (HVO) oder Strom aus der Batterie nutzen. Bei Wasser­stoff­an­trieben könne es noch Probleme mit Geneh­mi­gungen geben, sagt Peyrot. Die bereits seit Herbst 2021 ange­kün­digte kommer­zi­elle Premiere des Wasserstoff-Schiffs „Zulu 6“ auf der Seine hat Verspä­tung. Derzeit liege es in Le Havre, wann es für die City­lo­gistik genutzt werden kann, sei nicht klar. „Ich hoffe, vor Ende des Jahres“, sagt Peyrot.