[Urban Mobility]

ÖPNV kann auch Logistik

Der Count­down läuft. Laut Anna-Theresa Korbutt könnten Spedi­tionen und der öffent­liche Perso­nen­nah­ver­kehr schon in zwei Jahren gemein­same Sache machen. Insbe­son­dere Verkehre in länd­li­chere Gebiete könnten zumin­dest teil­weise zusam­men­ge­legt werden, sagt die Chefin des Hamburger Verkehrs­ver­bunds (HVV).

von Carla Wester­heide
Könnten auto­nomen Fahr­zeuge in Zukunft nicht nur Menschen, sondern auch Waren beför­dern? Die HVV-Chefin Anna Theresa Korbutt hält das für wahr­schein­lich. FOTO: Hoch­bahn AG
Der Schlüssel für die Zusam­men­ar­beit sind laut Korbutt auto­nome On-demand-Fahrzeuge, wie sie bereits für den Hamburger ÖPNV in Rahmen von Pilot­pro­jekten auf der Straße sind. „Also nichts, was auf festen Linien unter­wegs ist“, sagt sie. Dieses Verkehrs­mittel sei aus ÖPNV-Sicht insbe­son­dere für die Peri­pherie sowie den länd­li­chen Raum inter­es­sant. Eben dort, wo der öffent­liche Nahver­kehr nicht gut ausge­baut ist, da die Fahr­zeuge dann voraus­sicht­lich längere Zeit unbe­nutzt leer stünden.

Stehende Assets verdienen kein Geld

„Das Problem des KEP- und des Stückgut-Logistikers ist, dass er im länd­li­chen Raum nicht auf seine Stopps und seine Zubring­leis­tungen kommt. Somit ist jeder Stopp für ihn unheim­lich teuer. Es sind weite Stre­cken, der Fahrer kostet das Gleiche, der Lkw kostet das Gleiche, und trotzdem schafft der Logis­tiker nur seine zehn Stopps. Wenn über­haupt. Und das ist hoch­gradig unwirt­schaft­lich“, sagt Korbutt. Natür­lich gebe es auch die Über­le­gung, auto­nome Lkw auf die Straße zu bringen. Wenn ÖPNV und Logistik das Fahr­zeug aber gemeinsam entwi­ckelten, würden auch die Entwick­lungs­kosten auf mehrere Schul­tern verteilt, erklärt Korbutt.

„Das Fahr­zeug wird nicht 24 Stunden am Tag unter­wegs sein“, sagt Korbutt. Und ein Asset, das steht, verdiene kein Geld. „Warum kann das Auto dann nicht zu einem KEP-Dienstleister fahren, Pakete einpa­cken lassen und dementspre­chend auslie­fern?“, fragt die HVV-Chefin. Inso­fern die Fahr­zeuge richtig konfi­gu­riert wären, könne das eine Lösung für Paket­dienste sowie Stück­gutspe­di­tionen darstellen. Natür­lich hieße das, dass die Kapsel nicht beiden Systemen jeder­zeit zur Verfü­gung stehe.

Wie die Auftei­lung aussehen könnte, müsste im Rahmen von Test­pro­jekten eruiert werden, sagt Korbutt. Aber es gebe genü­gend Spedi­teure, die mit weniger als zwei Paletten in den genannten Gebieten unter­wegs seien. Zudem müssten sie seit Corona immer mehr Privat­haus­halte bedienen – eben­falls Neuland für die meisten Speditionen.

Alte Infra­struktur mit neuem Zweck

Laut Korbutt könnten Tank­stellen zu zentralen Anlie­fe­rungs­hubs für Stückgut umfunk­tio­niert werden. Schließ­lich werde bald alles elek­trisch betrieben, „wofür sonst brau­chen wir die dann also noch?“ Die Tank­stellen, wo Spedi­teure ihre Ware anlie­fern könnten, seien bereits gut gelegen und meist gut ange­bunden. „Das läuft dann alles auto­ma­ti­siert“, sagt Korbutt. „Wenn ich meinen Kühl­schrank oder meine Wasch­ma­schine bestelle, dann auto­ri­siere ich über eine App die auto­nome Kapsel und sage, wann ich das Gerät gelie­fert haben möchte.“

Für den Spedi­teur bedeute das zum einen, dass er sich nicht um das Avis beim Endkunden kümmern und zum anderen weniger Stopps anfahren müsse und somit Kosten spare.

Nicht jedes Paket kann ÖPNV

Die schon oft in den Medien beschrie­benen Lösungen für den Paket­trans­port mit der Tram oder U‑Bahn hält die HVV-Chefin jedoch nicht für zukunfts­fähig. „Das sind ganz eng getak­tete Verkehre“, sagt sie. „Wie kommen die Pakete denn da rein? Also, erstmal muss man die Sendungen rein­be­kommen und dann wieder heraus­be­kommen, und das in einer Frequenz von nicht einmal zehn Sekunden Umsteigezeit.“

Aus diesem Grund könnte der ÖPNV den KEP-Markt in Ballungs­ge­bieten nicht bedienen. Dennoch schaue sie weiterhin auf die Forschung in diesem Bereich, aber „bislang war noch kein Konzept dabei, das mich über­zeugt hat, was bei den Paket­mengen sinn­brin­gend ist, ohne dass ein System kollabiert“.

Es geht darum, was sein könnte

„Sie können jede Idee töten, wenn wir gleich über Haftungs­fragen oder ähnli­ches disku­tieren“, räumt Korbutt ein. Natür­lich sei das auch für konso­li­dierte Stück­gut­lie­fe­rungen und den Weiter­trans­port per
auto­nomer Kapsel der Fall. „Darum geht es aber nicht“, betont die HVV-Chefin. „Es geht darum, dass die Systeme das könnten!“

Auto­ma­ti­sierte Waren­häuser gebe es bereits. Die größte Restrik­tion ist laut Korbutt, dass es die auto­nomen Fahr­zeuge für die Zustel­lung zum Kunden noch nicht gibt. „Es muss erst einmal über­legt werden, wie so eine Kapsel aussehen muss, damit sie beide Systeme bedienen kann. Dafür braucht es Inge­nieurs­leis­tung.“ Dann stünde einem Pilot- oder Forschungs­pro­jekt in den kommenden zwei Jahren nichts mehr im Wege. Sie ergänzt: „Die einzige Grund­vor­aus­set­zung ist, dass sich noch mehr crazy Geister finden und zusam­men­kommen und ich nicht die Einzige bin, die an Türen klopfen muss.“

Zu diesem Artikel gibt es einen Podcast: Eine Palette fährt aufs Land: Warum die Logistik auch auf den Perso­nen­ver­kehr bauen sollte

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