[Smart City]

Lübeck: Intel­li­gent vernetzt

Von Nicole de Jong und Tim-Oliver Frische
Die Hanse­stadt Lübeck wird digital und soll sich zu einer Smart City entwi­ckeln. Die Groß­stadt in Schleswig-Holstein will Vorrei­terin für eine intel­li­gent vernetzte, zukunfts­fä­hige Stadt werden. Sie betrachtet die digi­tale Infra­struktur als Daseins­vor­sorge entspre­chend beispiels­weise der Gas‑, Wasser- und Stromversorgung. 
Citylogistik

© Hanse­stadt Lübeck

Die Digi­ta­li­sie­rung umfasst den Ausbau von Netzen wie etwa Glas­faser oder das flächen­den­de­ckende Funk­netz Long Range Wide Area Network (LoRaWAN), das als Ergän­zung für ein stabiles und ausfall­si­cheres Netz­werk in der Region instal­liert wird. Fünf Mobil­funk­an­tennen, die das gesamte Stadt­ge­biet bis nach Trave­münde abde­cken, sind bereits aufge­stellt worden. In Lübeck wird eines von 73 Vorhaben im Zuge der „Modell­pro­jekte Smart Cities“ von der Bundes­re­gie­rung geför­dert. Insge­samt stehen 820 Millionen Euro zur Verfügung.

Auf der Smart-City-Plattform der Hanse­stadt werden etwa intel­li­gente Lösungen zu den Themen Mobi­lität, Klima­schutz, Umwelt und Energie präsen­tiert, die helfen, das Leben für alle einfa­cher und lebens­werter zu machen. Um die Mobi­lität zu verbes­sern, werden aktu­elle Daten beispiels­weise über Navi­ga­ti­ons­sys­teme laufend zur Verfü­gung gestellt. Mit LoRaWAN können Sensor­daten gesam­melt und genutzt werden, um smarte Lösungen anzu­bieten. Ein smartes Projekt ist die Eric-Warburg-Brücke, eine Klapp­brücke am Rand der Lübe­cker Altstadt. Ihre dyna­mi­schen Öffnungs­zeiten können nun auch online einge­sehen werden.

„Daten spielen für intel­li­gente Städte und Gemeinden der Zukunft die entschei­dende Rolle. Sie ermög­li­chen die Vernet­zung bislang getrennter Bereiche der Verwal­tung und der Stadt insge­samt. Daher stellt der in Lübeck prak­ti­zierte Ansatz der Daten­er­he­bung und des Einsatzes einer Daten­platt­form das Herz­stück einer Smart City dar“, so Alex­ander Hand­schuh, Spre­cher des Deut­schen Städte- und Gemein­de­bundes (DStGB).

Mit Hilfe von Open Data lassen sich orts­be­zo­gene Probleme iden­ti­fi­zieren. So sind die knapp 5.500 Beschäf­tigten der Lübe­cker Verwal­tung im Stadt­ge­biet verteilt und nur dann arbeits­fähig, wenn sie täglich neben dem digi­talen Schrift­ver­kehr auch mit der analogen Post von Bürgern, Part­nern oder anderen Verwal­tungs­stellen versorgt werden. Bisher haben herkömm­lich ange­trie­bene Fahr­zeuge im Lübe­cker Stadt­ge­biet etwa 5.000 Kilo­meter pro Monat allein für den internen Post­aus­tausch zurück­ge­legt. Seit August setzt die Stadt nun auf einen klima­freund­li­chen Post­ver­kehr: Der Fahr­rad­ku­rier­dienst Noord Trans­port erle­digt den Groß­teil der Trans­porte mittels Lastenfahrrädern.

Mikro­depot geplant

Die Evalu­ie­rung der Daten hat weiterhin ergeben, dass die Situa­tion im städ­ti­schen Liefer­ver­kehr sehr ange­spannt ist und zu viele Liefer­fahr­zeuge in zweiter Reihe halten. Daher wurde beschlossen, ein Mikro­depot inklu­sive einer Photo­vol­ta­ik­an­lage in der Falken­straße am Rande der Altstadt­insel aufzu­bauen. Vier KEP-Dienstleister sollen künftig von dort aus Paket­sen­dungen auf der letzten Meile per Lastenrad emis­si­ons­frei zustellen. Die Lübe­cker Altstadt ist beson­ders attraktiv für die Lasten­rad­nut­zung, da viele Restrik­tionen des Kfz-Verkehrs nicht für Fahr­räder gelten. Zum Beispiel sind große Teile der Kfz-Einbahnstraßen für den Zwei­rich­tungs­rad­ver­kehr frei­ge­geben.
Die intel­li­gente Mobi­lität ist eine der wich­tigsten Säulen der digi­talen Stra­tegie. Dabei verliert in Lübeck der moto­ri­sierte Indi­vi­du­al­ver­kehr seine Vorrang­stel­lung zugunsten des Fuß- und Radver­kehrs. Ziel ist es, mit Hilfe von digi­talen Anwen­dungen inno­va­tive Mobi­li­täts­kon­zepte eng aufein­ander abzu­stimmen. Hierzu zählen die intel­li­gente Verkehrs­len­kung und Park­raum­steue­rung auf Basis von Sensor­daten oder die intel­li­gente Abfall­ent­sor­gung, die sich nach aktu­ellen Füll­ständen und Kapa­zi­täten richtet und nicht nach pauschal geplanten Fahrt­routen. „Intel­li­gente Lösungen helfen uns in Zukunft dabei, das Leben für alle einfa­cher und lebens­werter zu machen, sozial gerechter zu gestalten und zeit­gleich Umwelt und Klima zu schonen“, sagt Stefan Ivens, Chief Digital Officer der Stadt.

„Die Bemü­hungen der Stadt­ver­wal­tung in Sachen Digi­ta­li­sie­rung zeigen sich auch im Deutschland-Ranking“, ergänzt Michael Pfef­ferle, Bereichs­leiter Smart City und Mobi­lity beim Digi­tal­ver­band Bitkom. Jähr­lich unter­sucht Bitkom im Smart City Index die 81 deut­schen Groß­städte mit mehr als 100.000 Einwoh­nern und erhebt dafür mehr als 11.000 Daten. Lübeck belegt Platz 25 und verbes­serte sich 2022 um 17 Plätze im Vergleich zum Vorjahr. In der Kate­gorie IT und Kommu­ni­ka­tion ist Lübeck in den Top Ten und punktet durch den sehr guten Breitband- und 5‑G-Ausbau sowie den Baltic Future Port. „Lübeck sollte sich auf diesen erkenn­baren Fort­schritten nicht ausruhen. Gerade im Bereich Mobi­lität bestehen Verbes­se­rungs­po­ten­ziale, etwa indem zeitnah Mikro­hubs und Zustel­lungen per Lastenrad umge­setzt werden.“

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Smart Cities sind Gemein­schafts­pro­jekte von Verwal­tung, Bürger­schaft und Wirtschaft

Alex­ander Hand­schuh, DStGB

Auch der Verkehrs­fluss ist Bestand­teil des Themen­feldes „intel­li­gente Mobi­lität“. Daher werden Vermes­sungs­daten im städ­ti­schen Geoportal visua­li­siert und vernetzt. Beim flächen­de­ckenden Breit­band­ausbau hat die Leit­stelle Verkehrs­fluss­ma­nage­ment die Baumaß­nahmen erster Stadt­teile aufein­ander abge­stimmt. Damit werden an einem Ort zur selben Zeit Glas­faser verlegt, die Stra­ßen­be­leuch­tung mit LED erneuert sowie die Gehwege saniert. Das spart Zeit, Mate­rial sowie Personal und ist damit wirt­schaft­li­cher und nachhaltiger.

Zu einer Smart City gehört eine intel­li­gent vernetzte Wirt­schaft. So wird auch der Lübe­cker Hafen weiter digi­ta­li­siert. Es sollen die komplexen, inein­an­der­grei­fenden Prozesse, die für die Abfer­ti­gung der in Lübeck ankom­menden Ware aus und in Rich­tung Skan­di­na­vien und in alle Welt notwendig sind, opti­miert werden. Tech­ni­sche Basis für dieses Digi­ta­li­sie­rungs­vor­haben ist der neue Mobil­funk­stan­dard 5G. Zu diesem Zweck wurde das Projekt Baltic Future Port als Teil der digi­talen Stra­tegie der Hanse­stadt Lübeck initi­iert. „Wir wollen mit modernster Tech­no­logie den Wirt­schafts­standort stärken und durch intel­li­gente Vernet­zung den Akteuren im Hafen rele­vante Infor­ma­tionen einfa­cher zur Verfü­gung stellen. Dadurch können die Verkehre opti­miert werden, was wiederum einen posi­tiven Effekt auf das Klima hat“, sagt Ivens weiter.

„Ob Klein­stadt oder Metro­pole, die Digi­ta­li­sie­rung ist heute der entschei­dende Faktor für die Zukunfts- und Wett­be­werbs­fä­hig­keit der Wirt­schaft. Inves­ti­tionen in die Digi­ta­li­sie­rung der Infra­struktur und des Hafens sind Zukunfts­in­ves­ti­tionen“, bestä­tigt Pfef­ferle vom Bitkom.

Digi­taler Zwil­ling soll unterstützen

Insbe­son­dere leis­tungs­fä­higer soll der Hafen werden. Ein digi­taler Zwil­ling soll dabei unter­stützen, Flächen und Termi­nals effi­zi­enter auszu­lasten, die logis­ti­schen Abläufe trans­pa­renter darzu­stellen und damit die Güter­ver­kehre zu opti­mieren. Hierzu werden Logis­tik­hallen und ‑flächen virtuell als 3‑D-Modelle erstellt. Die Tech­ni­sche Hoch­schule Lübeck und die Univer­sität zu Lübeck unter­stützen das Projekt Baltic Future Port wissenschaftlich.

Daneben sollen Bevöl­ke­rung und Wirt­schaft in Lübeck die Planungen und Entschei­dungen auf dem Weg zur Smart City mittragen. Daher wurde der Beirat „Lübeck Digital“ gegründet, in dem ein Quer­schnitt der gesell­schaft­li­chen Gruppen vertreten ist und der für Verwal­tung und Politik eine bera­tende Funk­tion über­nimmt. „Smart Cities sind Gemein­schafts­pro­jekte von Verwal­tung, Bürger­schaft und Wirt­schaft. Hier stellt die Stadt Lübeck, die in Deutsch­land eine bereits seit Jahr­hun­derten währende Tradi­tion in der Vernet­zung von Handel und Gesell­schaft aufweist, die rich­tigen Weichen“, so Handschuh.