[Smart City]

Logis­tik­im­mo­bi­lien mehr vom Prozess her planen und bauen

von Kuno Neumeier
geschäfts­füh­render Gesell­schafter der Logivest Gruppe

Ob Online­händler, KEP-Dienstleister oder Unter­nehmen aus dem produ­zie­renden Gewerbe – fast alle Akteure inner­halb der Supply Chains suchen hände­rin­gend nach ausrei­chend großen Logis­tik­flä­chen in annehm­barer Lage. 

Für eine bedarfs­ge­rechte Entwick­lung von Logis­tik­im­mo­bi­lien sollte der Waren­fluss im Fokus stehen. FOTO: iStock

In beson­ders umkämpften Regionen wie München herrscht Voll­ver­mie­tung. Ergibt sich die Chance auf eine Bau- oder Miet­fläche, zögern die wenigsten. Das sorgt aller­dings dafür, dass noch keine urbane Logistik im eigent­li­chen Sinne exis­tiert. Es gibt zwar zahl­lose Einzel­pro­jekte in Deutsch­land, von Stan­dards bei der Versor­gung der letzten Meile sind wir jedoch weit entfernt. Kein Wunder, denn wenn die Prozesse an die Gege­ben­heiten der Fläche ange­passt werden müssen, entstehen Indi­vi­du­al­lö­sungen, die sich nur sehr begrenzt auf andere Immo­bi­lien über­tragen lassen.

Nicht am Bedarf vorbei entwickeln

Auf längere Sicht sollte inner­halb der Branche ein Umdenken statt­finden. Nur wenn der Prozess – also die Entwick­lung einer geeig­neten und auch skalier­baren Lager‑, Kommissionier- und Auslie­fe­rungs­stra­tegie – am Anfang der Planungen steht, lässt sich tatsäch­lich eine grund­le­gende Vorge­hens­weise ableiten. Oder anders gesagt: Erst, wenn fest­steht, wie der Waren­fluss am besten koor­di­niert werden kann, sollte der Immo­bi­li­entyp gemäß diesen Vorgaben fest­ge­legt und der Standort gesucht werden. Andern­falls würde man einen Stan­dard voll­kommen am lang­fris­tigen Bedarf oder an den ökono­mi­schen Anfor­de­rungen vorbei entwickeln.

Bestehende Konzepte hinterfragen

Durch die stei­genden Anfor­de­rungen im Hinblick auf wach­sende Waren­sor­ti­mente bei gleich­zeitig kürzeren Liefer­zeiten sollten die bestehenden Konzepte hinter­fragt und Alter­na­tiven erwogen werden. Ein Beispiel: Einige Anbieter im E‑Commerce-Segment prüfen aktuell die Möglich­keiten des Pre-Packings. Anstatt die Waren in derselben Immo­bilie zunächst zu kommis­sio­nieren und dann auf die einzelnen Fahr­zeuge zu distri­bu­ieren, finden diese beiden Schritte an unter­schied­li­chen Orten statt. Nach Auftrags­ein­gang wird im Schnell­durch­lauf in der Lager­halle kommis­sio­niert. Anschlie­ßend werden die vorge­packten Sendungen in eine Umschlag­halle trans­por­tiert, die eine reine Verteil­erfunk­tion einnimmt und in der die Sendungen zu einzelnen Fuhren zusam­men­ge­stellt werden. Die mögli­chen Vorteile: Anstatt ein einzelnes großes Grund­stück zu benö­tigen, verteilen sich die Prozesse auf zwei klei­nere Immo­bi­lien. Diese können sich aufgrund der gerin­geren Fläche vergleichs­weise oft näher an den Innen­städten befinden. Die letzte Meile verkürzt sich, alter­na­tive Liefer­me­thoden wie E‑Bikes kommen infrage.

Fall­bei­spiele exis­tieren bereits

Dieses Prinzip ist nicht neu – es entspricht der Logis­tik­stra­tegie eines klas­si­schen Groß­händ­lers mit eigener Zustel­lung, also mit Zentral­la­gern und Hubs zur Fein­ver­tei­lung. Neu ist aller­dings die Dimen­sion, wenn das Pre-Packing nicht im B2B-Bereich Anwen­dung findet, sondern im B2C-Bereich bei den zahl­losen Kunden eines Online­händ­lers. In den USA sind solche und andere Ansätze zur Versor­gung der letzten Meile bereits deut­lich etablierter als hier­zu­lande. Den hiesigen Akteuren stehen also zahl­reiche Fall­bei­spiele und Ideen zur Verfü­gung, die sie auf die Über­trag­bar­keit für ihre eigene Stra­tegie sowie auf ihre Skalier­bar­keit prüfen und in Pilot­pro­jekten zur Versor­gung der letzten Meile erproben sollten.

Natür­lich hat jedes Unter­nehmen seine eigene Bestell- und Auslie­fer­struktur. Ein Online-Pure-Player hat eine völlig andere Ausgangs­lage bezie­hungs­weise Ziel­set­zung als ein statio­närer Einzel­händler, der sein Geschäfts­mo­dell um eine Online­stra­tegie erwei­tern will. Aktuell werden gerade bei solchen Ange­bots­er­wei­te­rungen Kompro­misse einge­gangen, die letzt­lich für Mehr­kosten sorgen. Ist ein neuer Logis­tik­standort jedoch nicht wege- oder prozess­op­ti­miert, über­steigen die Kosten für Lage­rung und Arbeits­kräfte even­tuell die mögli­chen Gewinne. Der Nutzer muss dann über den gesamten Lebens­zy­klus hinweg drauf­zahlen – und zwar propor­tional zum Sendungs­vo­lumen. Zudem sorgen die stei­genden Grund­stücks­preise sowie Baukosten für hohe Immobilien-Investmentausgaben. Diese könnten beson­ders dann zum kalku­la­to­ri­schen Problem werden, wenn sie aufgrund geän­derter Prozesse nach einem gewissen Zeit­raum nur noch einge­schränkt nutzbar sind.

Die Syner­gien, die ein stär­keres Prozess­denken ermög­li­chen kann, gehen noch deut­lich weiter: Ein inno­va­tives Modell wäre eine Lager­halle, die von einem Logis­tik­dienst­leister betrieben wird – und zwar für mehrere Unter­nehmen derselben Branche. Beispiels­weise könnten die Textil­an­bieter A, B und C mit den jewei­ligen Produkt­sor­ti­menten aus einer Halle mit einer Fuhre belie­fert werden. Das würde zudem den inner­städ­ti­schen Waren­ver­kehr redu­zieren und die Trans­port­kosten senken.

Glei­ches gilt für die geplante Umset­zung des Hyper­loops zum Waren­transfer. Aktuell exis­tieren Konzepte für einige deut­sche Städte, unter anderem Hamburg. Der unter­ir­di­sche und somit verkehrs­neu­trale Waren­trans­port vom Zentral­lager zur Umschlag­halle stellt ein absolut realis­ti­sches Szenario dar – aber nur, wenn die betei­ligten Akteure ihre Immo­bi­lien vom Prozess her konzi­pieren. Wir wissen zwar nicht, welche Stra­te­gien in fünf oder zehn Jahren die letzte Meile maßgeb­lich prägen werden. Aller­dings werden dieje­nigen Akteure deut­lich im Vorteil sein, die bereits jetzt die für sie idealen Prozesse iden­ti­fi­zieren und zum haus­ei­genen Stan­dard hochskalieren.