[Smart City]

Logistik liefert Lebensqualität

Von Tim-Oliver Frische

Gegen­wärtig gibt es welt­weit 34 Mega­städte mit jeweils mehr als 10 Millionen Einwoh­nern. Zur Jahres­mitte 2021 lebten welt­weit geschätzt 4,5 der insge­samt 7,9 Milli­arden Menschen in Städten. Das entsprach 57 Prozent der Welt­be­völ­ke­rung. Experten gehen davon aus, dass im Jahr 2030 dieser Anteil bei 60 Prozent liegen wird. In Deutsch­land lebten 2021 sogar rund 77,5 Prozent der Gesamt­be­völ­ke­rung in Ballungs­zen­tren. Bis 2050 sollen es sogar 84,3 Prozent werden. Daraus ergeben sich beson­dere Heraus­for­de­rungen für die Logistik.

Citylogistik
Kreu­zung in Shibuya, Tokio: In Stoß­zeiten strömen bis zu 15.000 Fußgänger bei Grün über die Straße – eine Dimen­sion, von der deut­sche Ballungs­zen­tren noch weit entfernt sind.
Foto: iStock

Die Corona-Pandemie hat die Entwick­lung in den vergan­genen drei Jahren zwar etwas gebremst, aber lang­fristig nicht zu einer Trend­um­kehr geführt. Alex­ander Hand­schuh, Spre­cher des Deut­schen Städte- und Gemein­de­bundes (DStGB), beob­achtet diesen unge­bro­chenen Trend seit vielen Jahren. „Mehr Menschen in den Ballungs­ge­bieten bedeuten auch zusätz­liche Heraus­for­de­rungen für die Versor­gung mit Gütern und Dingen des tägli­chen Bedarfs“, sagt Hand­schuh. „Dafür brau­chen wir eine zuver­läs­sige, starke Logistik in allen Berei­chen. Von einer funk­tio­nie­renden Logistik wird auch die Lebens­qua­lität in der Stadt von morgen entschei­dend abhängen.

Die Menschen in Deutsch­land haben unab­hängig davon, ob sie in städ­ti­schen und länd­li­chen Regionen leben, eine gewisse Erwar­tungs­hal­tung an die Versor­gung. Der DStGB vertritt über seine Mitglieds­ver­bände die ganze Band­breite von Kommunen, von der Groß­stadt bis zur kleinen Gemeinde. „Die Erwar­tungs­hal­tung unter­scheidet sich nicht grund­sätz­lich, es geht um Zuver­läs­sig­keit und die Versor­gung mit Waren und Gütern“, weiß Hand­schuh. In den städ­ti­schen Gebieten spielten sicher­lich die Themen rund um die letzte Meile eine große Rolle, das sei auf dem Land nicht so sehr von Bedeu­tung. „In den länd­li­chen Regionen geht es vor allem um die Gleich­wer­tig­keit der Lebens­ver­hält­nisse und die Verfüg­bar­keit von Dienst­leis­tungen rund um die Logistik, wie etwa Same Day Delivery.“

Gemein­same Herausforderungen

Städ­ti­sche und länd­liche Bedürf­nisse spie­geln somit gemein­same Erwar­tungen an die Logistik. Sie muss Versor­gungs­si­cher­heit und Lebens­qua­lität gewähr­leisten sowie die Wirt­schaft in Schwung halten. „Logistik und Lebens­qua­lität schließen sich nicht aus, sondern bedingen ein-ander“, sagt Hand­schuh. Das werde viel­fach über­sehen. Er geht noch einen Schritt weiter: „Ich ‑denke, man kann es sogar umge­kehrt formu­lieren: Wo Logistik fehlt, leidet auch die Lebens­qua­lität.“ Für die Zukunft werde es wichtig sein, den Dialog zwischen Logistik und dem öffent­li­chen Sektor, vor allem mit den Kommunen, zu ¬inten­si­vieren. „Die Heraus­for­de­rungen bewäl­tigen wir nur gemeinsam, daher sollten wir zu einem noch besseren Mitein­ander kommen“, betont der DStGB-Sprecher. „Unser Ziel muss es sein, den Standort Deutsch­land und die Kommunen zu stärken. Das schaffen wir nur, wenn alle gemeinsam an der Entwick­lung der Stadt von morgen arbeiten.“

Bei dieser Arbeit ist Krea­ti­vität gefragt. Die soll der soge­nannte Inno­va­tors¬ Club fördern, eine Ideen¬schmiede, die Hand­schuh mit seinem Team leitet. „Der Inno­va­tors Club ist ein einzig­ar­tiger Zusam­men­schluss von Bürger­meis­te­rinnen und Bürger­meis­tern. Wir arbeiten dort gemeinsam mit Wissen­schaft und Wirt­schaft an Zukunfts­themen, etwa in den Berei­chen Nach­hal­tig­keit, Digi­ta­li­sie­rung¬ oder Bildung. Derzeit stehen die Vorbe­rei­tungen für unser nächstes Deutsch­land­forum mit dem Titel ‚Ausbre­chen‘ an.“ Im Rahmen der Veran­stal­tung soll über­legt werden, wie inno­va­tive Konzepte aus den von Krisen geprägten Mustern heraus­führen können, um sich den drän­genden Zukunfts­auf­gaben widmen zu können.

In dem Zusam­men­hang spielen Smart-City-Konzepte eine wich­tige Rolle. In nahezu allen größeren Städten und in den Metro­polen sowieso werden entspre­chende Konzepte umge­setzt. Dabei geht es darum, mittels moderner Tech­no­logie und Digi­ta­li­sie­rung den Verkehrs­fluss zu verbes­sern sowie öffent­liche und indi­vi­du­elle Mobi­lität nach­haltig zu gestalten. Dazu gehören die Verknüp­fung von öffent­li­chem Nahver­kehr mit dem Güter­trans­port ebenso wie effi­zi­entes Baustel­len­ma­nage­ment, um den Verkehr möglichst wenig zu behin­dern. „Es gibt schon ¬einige gute Lösungen, die auch in der Praxis im Einsatz sind“, stellt Hand­schuh fest. „Aller­dings gelingt es noch viel zu wenig, diese dann auch wirk­lich in die Fläche zu bringen. Außerdem handelt es sich viel­fach immer noch um Insel­lö­sungen, wir brau­chen aber bereichs- und sektoren­über­grei­fende Konzepte.“ Die alte Forde­rung „Raus aus den Silos“ habe nichts an Aktua­lität verloren. „Es muss uns gelingen, verschie­dene Sektoren einer Stadt auf Daten­basis intel­li­gent zu vernetzen“, betont Handschuh.

FOTO: BARIS CIHAN

„Gute Stadt­pla­nung setzt immer auf kurze Wege.“

– Alex­ander Hand­schuh, Spre­cher des DStGB

Ein beson­ders wich­tiger Aspekt in dem Zusam­men­hang ist das Teilen und Nutzen von Daten. Hierbei ist nach wie vor ein Umdenken notwendig. „Es darf es nicht länger darum gehen, auf Daten­ho­heit oder Daten­ei­gentum zu setzen. Daten teilen ist das Gebot der Stunde, das gilt für den öffent­li­chen Sektor ebenso wie für die Privat­wirt­schaft“, unter­streicht Hand­schuh. „Durch einen großen Pool an Daten können wir die Inno­va­ti­ons­bremse lösen, und es werden ganz neue Anwen­dungen entstehen.“ Gleich­zeitig sind aber auch die Kommunen gefor­dert, ihre Daten­schätze zu heben und nutzbar zu machen, was aller­dings eine Heraus­for­de­rung darstellt, wie der DStGB-Sprecher einräumt. Der kommu­nale Daten­schatz sei zwar vorhanden, aber teil­weise noch nicht wirk­lich nutzbar. „Es muss nun darum gehen, die vorhan­denen Daten in einer guten Qualität und einem einfach nutz­baren Format bereit­zu­stellen“, erklärt Hand­schuh. Klar sei aber auch, dass es dafür Geld und Know-how brauche. Beides sei in vielen Kommunen momentan nicht ausrei­chend vorhanden.

Eine Million Ruhe­ständler pro Jahr

Zu den wach­senden Ballungs­zen­tren kommt ein weiterer Trend hinzu: Bis 2035 gehen in Deutsch­land jedes Jahr eine Million Menschen in Rente. An der Volks­wirt­schaft wird das nicht spurlos vorüber­gehen. „Die Auswir­kungen spüren wir bereits jetzt, und das Problem wird sich weiter verschärfen“, gibt Hand­schuh zu bedenken. Der Mangel an quali­fi­ziertem Personal lasse sich auch durch eine Auswei­tung der Fach­kräf­te­zu­wan­de­rung kaum beheben. Umso wich­tiger sei es, auf effi­zi­ente digi­tale Werk­zeuge, auf Auto­ma­ti­sie­rung und viel­leicht irgend­wann auch auf KI zu setzen. Anders werde man die Lücke kaum schließen können.

Städte werden sich somit weiterhin ändern und anpassen müssen, Stadt­ent­wick­lung ist dyna­misch. Ein Ziel kann die soge­nannte „15-Minuten-Stadt“ sein, also eine Stadt, in der alle alltäg­li­chen Wege inner­halb dieses Zeit­fens­ters zurück­ge­legt werden können. Die Idee sei zwar nicht neu, wie Hand­schuh sagt. „Gute Stadt­pla­nung hat immer auf kurze Wege gesetzt und einen poly­zen­tri­schen Ansatz verfolgt. Aber wir fangen in Deutsch­land ja nicht auf der grünen Wiese an und planen Städte nicht am Reiß­brett neu. Es muss uns daher gelingen, die bestehenden Struk­turen sukzes­sive so umzu­bauen, dass wir diesem Ziel näherkommen.“

Mehr Menschen in Städten, die schneller ihr Ziel errei­chen – für die Stadt von morgen darf das keine Utopie bleiben.