[Smart City]

Kommunen im Stresstest

Von Michael Pfef­ferle

Die Stadt­ent­wick­lung ist wie die Mode­indus­trie ständig von aktu­ellen Trends und Hypes geprägt. Derzeit lässt sich zwei­fellos ein großer Trend rund um das Konzept der Resi­lienz beob­achten. Während Kommunen in den vergan­genen Jahren digi­ta­li­siert und dann zu Smart Cities wurden, streben sie nun nach Resi­lienz, eine äußerst wich­tige Eigen­schaft, sowohl für Menschen als auch für Städte. In Bezug auf Städte umfasst Resi­lienz die Fähig­keit, auf Heraus­for­de­rungen, Krisen oder Schocks zu reagieren, diese zu über­winden und sich dabei weiterzuentwickeln.
Citylogistik

Die nächste Krise kommt eher nicht in der Gestalt des Mons­ters Godzilla, das als Symbol der Zerstö­rung in bislang zahl­rei­chen Filmen die Haupt­rolle spielte. Aber als Folge des demo­gra­fi­schen Wandels zeichnet sie sich bereits ab. Zur Bewäl­ti­gung brau­chen Kommunen klare (digi­tale) Struk­turen.
© Massimo Abad / Pixabay

Eine robuste Stadt stärkt die Wider­stands­fä­hig­keit ihrer Gemein­schaft und ihrer Infra­struktur, um auf verschie­dene Belas­tungen vorbe­reitet zu sein. Dies können Naturkatastrophen­, wirt­schaft­liche Abschwünge, soziale Unruhen oder andere schwer­wie­gende Ereig­nisse bis zu mili­tä­ri­schen Konflikten sein. Eine solche Stadt erkennt die Notwen­dig­keit, sich auf Risiken vorzu­be­reiten, und ergreift Maßnahmen, um die Auswir­kungen solcher Ereig­nisse zu minimieren.

Tatsäch­lich scheint es in den vergan­genen Jahren an Krisen auch in Deutsch­land nicht zu mangeln: Flücht­lings­krisen, die Corona-Pandemie, der Klima­wandel, Flut­ka­ta­stro­phen und Hacker­an­griffe waren Stress­tests für Kommunen. Mit anderen Worten: Krisen sind mitt­ler­weile zum Dauer­zu­stand in den Kommunen geworden.

Mobi­lität und Logistik im Fokus

Resi­lienz ist ohne Digi­ta­li­sie­rung nicht denkbar, denn urbane Resi­lienz und digi­tale Städte gehen Hand in Hand. Die Bedeu­tung der Digi­ta­li­sie­rung für die drei wesent­li­chen Prin­zi­pien der Diver­sität, Modu­la­rität und Feedback-Loops wurde vor kurzem auch von der Bundes­re­gie­rung in einem neuen Leit­faden benannt. Beson­ders für den Mobilitäts- und Logis­tik­sektor der Stadt ist das von Relevanz.

Resi­li­ente Mobi­li­täts­an­ge­bote sind das Herz, resi­li­ente Liefer­ketten der Puls der Stadt. Eine Viel­zahl unter­schied­li­cher Liefe­ranten, Liefer­dienste und alter­na­tive Zustel­lungs­arten sind wich­tige Bausteine für eine wider­stands­fä­hige und viel­fäl­tige Liefer­kette. Ebenso spielen Depots und Mikro­de­pots im städ­ti­schen und länd­li­chen Raum eine entschei­dende Rolle. Ihre Diver­sität und Modu­la­rität erwies sich insbe­son­dere während der ­Corona-Krise als das Rück­grat, das es ermög­lichte, schnell auf die verän­derte Nach­frage im Paket­ver­sand zu reagieren.

Die Einrich­tung von „Click & Collect“ ermög­lichte den Einzel­händ­lern vor Ort, ihr Über­leben zu sichern, indem sie weiterhin Waren zu den Verbrau­chern bringen konnten. Lang­fristig verbes­serte die Etablie­rung von Online­markt­plätzen die (Nah-)Versorgung. Zudem ermög­li­chen Echt­zeit­daten zu Stra­ßen­sper­rungen aufgrund von Unfällen oder extremen Wetter­be­din­gungen, alter­na­tive Routen zu nutzen oder flexibel den Zeit­punkt der Liefe­rung anzu­passen. Diese Daten sind äußerst wert­voll, um den reibungs­losen Ablauf der Liefe­rungen zu gewähr­leisten und Engpässe zu vermeiden.

Digi­tale Feedback-Loops als Basis

Ohne den Einsatz von Daten sind sowohl die Planung als auch der Betrieb von Mobi­li­täts­an­ge­boten und städ­ti­schen Liefer­ketten heut­zu­tage undenkbar. Digi­tale Feedback-Loops, also konti­nu­ier­liche Daten­er­fas­sung, ‑zusam­men­füh­rung und ‑verar­bei­tung, sollten daher die Grund­lage jeder stra­te­gi­schen Entschei­dung bilden. Bereits im Prozess der Stadt- oder Quar­tiers­pla­nung, dabei geht es um Verkehrs­ströme, Straßen, Neubau­viertel oder Halte­stellen, müssen die Bedürf­nisse der Logistik berück­sich­tigt werden, um Lade­zonen oder Mikro­de­pots sinn­voll zu gestalten.

Ein weiterer Schritt zur Resi­lienz sind modu­lare, also abgrenz­bare IT-Systeme, die über stan­dar­di­sierte Schnitt­stellen (APIs) einen Daten­aus­tausch zwischen Unter­nehmen und Stadt ermög­li­chen. Die Einbin­dung von Echt­zeit­daten des Logistik- und Mobi­li­täts­sys­tems in den urbanen digi­talen Zwil­ling lassen somit daten­ba­sie­rende Entschei­dungen durch ein Echt­zeit­mo­ni­to­ring zu. Auch wenn Logis­tik­un­ter­nehmen und Städte unter­schied­liche Cloud­anbieter verwenden, Stan­dards und Schnitt­stellen ermög­li­chen den sicheren Datenaustausch.

In der Realität verfügen Städte in Deutsch­land jedoch noch immer  über zu wenige Daten. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand. Nur wer in Krisen­zeiten über Wissen und Infor­ma­tionen zu Mobi­lität und Liefer­ketten verfügt, kann dann auftre­tende Heraus­for­de­rungen meis­tern. Sowohl für die Logistik als auch für die Städte gilt: Wer über Daten verfügt und diese kompe­tent nutzen kann, verfügt über ein hohes Maß an Resilienz.

Agile Kommunen gefragt

Dabei ist die Debatte über Resi­lienz und Krisen­fes­tig­keit von Kommunen nicht neu. Es war schon immer die Aufgabe der Kommunen, gesell­schaft­li­chen Krisen und Schocks vor Ort zu begegnen und diese zu lösen. Das sieht das bewährte Subsi­dia­ri­täts­prinzip so vor. Die Diskus­sion ist daher nur ein weiterer Baustein der seit 30 Jahren anhal­tenden Debatte über die Moder­ni­sie­rung von Staat und Kommunen. Bei der Debatte um Krisen, Krisen­vor­sorge und Anpas­sungs­fä­hig­keit braucht es endlich einen agilen und digi­talen Staat, damit sich die Frage der Hand­lungs­fä­hig­keit nicht bei jeder Krise von neuem stellt.

Nächste Krise kommt

Die nächste Krise zeichnet sich bereits ab: Der demo­gra­fi­sche Wandel wird dazu führen, dass bis 2030 mehr als ein Drittel der Bediens­teten im öffent­li­chen Dienst in Pension oder den Ruhe­stand geht. Ange­sichts des Fach­kräf­te­man­gels werden Kommunen ihre Aufgaben nur erbringen können, wenn sie diese digital und auto­ma­ti­siert ­wahr­nehmen. Und das wäre bei vielen staat­li­chen Aufgaben längst möglich, weil sie klaren Struk­turen und Vorgaben folgen. Dass es moderner und agiler Kommunen bedarf, sollte daher nicht nur zu Krisen­zeiten auf der Agenda stehen.

Damit es bei der Resi­lienz also nicht nur bei einem Mode­be­griff bleibt, müssen Politik und Unter­nehmen nun die rich­tigen Weichen stellen. Digi­ta­li­sie­rung von Behörden ist keine Kür, sondern die Pflicht der Politik. (tof)

Michael Pfef­ferle ist Bereichs­leiter Smart City & Smart Region beim Bitkom e. V. in Berlin, der mehr als 2.000 Mitglieds­un­ter­nehmen vertritt