[Urban Mobility]

EMil, Vera, Anna und SOfia sind autonom unterwegs

Von Manuel Bosch

Sie heißen EMil, Vera, Anna, Busbee oder SOfia und sind im Auftrag der Forschung im öffent­li­chen Raum unter­wegs. Nach den Erpro­bungen selbst­fah­render Mini­busse auf privatem Gelände werden sie unter die realen Anfor­de­rungen des Öffent­li­chen Personen Nahver­kehrs (ÖPNV) gestellt. 

Die Shut­tles fahren als Zubringer im Hub-to-Hub-Verkehr, bedienen die erste und letzte Meile, im länd­li­chen Raum, in der Stadt oder in einem Quar­tier. Im Real­ver­kehr liefern sie weitere Erkennt­nisse zu Technik und Betrieb, Fahr­gast­ak­zep­tanz, Ride­poo­ling, aber auch zu Wirt­schaft­lich­keit, Barrie­re­frei­heit und zu Grund­lagen für verkehrs­po­li­ti­sche Entscheidungen.

Mehr als 40 auto­nome Shuttle-Bus-Projekte im ÖPNV verzeichnet der Verband Deut­scher Verkehrs­un­ter­nehmen (VDV) auf seiner Inter­net­seite. Einigen von ihnen wird das im Mai dieses Jahres von Bundestag und Bundesrat beschlos­sene Gesetz zur Ände­rung des Stra­ßen­ver­kehrs­ge­setzes und des Pflicht­ver­si­che­rungs­ge­setzes weiteren Forschungs­spiel­raum bieten. Das neue Gesetz zum auto­nomen Fahren ermög­licht den fahrer­losen Betrieb der Fahr­zeuge und, sobald vom Bundes­prä­si­denten rati­fi­ziert und von der EU-Kommission noti­fi­ziert, bietet es zudem Rechts­si­cher­heit für den Regelbetrieb.

Der EVA-Shuttle in Karls­ruhe bewegt sich nicht auf einer virtu­ellen Schiene, sondern frei zwischen den Fahrbahnen.

Foto: Paul Gärtner

EVA steht für elek­trisch, vernetzt, auto­ma­ti­siert und bezieht sich auf Ella, Vera und Anna, die Mini­busse für den Karls­ruher Stadt­teil Weiherfeld-Dammerstock. Das Beson­dere an ihnen: Während die Basis­fahr­zeuge von Easy­Mile auf einer virtu­ellen Schiene operieren, bewegten sich die EVA-Shuttles frei zwischen den Fahr­bahnen. Möglich wurde dies durch eine zusätz­liche Ausstat­tung der Fahr­zeuge mit drei­di­men­sio­nalem LiDAR-Laser- und Radar­scan­ning der Firma Bosch zur Selbst­lo­ka­li­sie­rung bis auf 10 cm. Zur Umge­bungs­er­ken­nung wurde eine hoch­de­tail­lierte Karte für den Stadt­teil aus dem Projekt „Test­feld Auto­nomes Fahren Baden-Württemberg“ erstellt. Fahr­gäste konnten Ella, Vera und Anna über eine Smartphone-App der Deut­sche Bahn-Tochter ioki rufen. Diese zeigte ihnen eine virtu­elle Halte­stelle an. Einen festen Fahr­plan gab es nicht.

Ende September ging in Schleswig-Holstein das Projekt NAF-Bus (Nachfragegesteuerter-Autonom-Fahrender-Bus) nach der dritten Phase zu Ende. Zwei auto­nome Shut­tles der Marke Easy­Mile und Navya wurden seit 2018 in verschie­denen Umge­bungen getestet. Aufgrund tech­ni­scher Konstruk­ti­ons­pro­bleme des Proto­typen des dritten Herstel­lers, Hansea­ti­sche Fahr­zeug Manu­faktur (HFM), verzö­gerte sich die Inbe­trieb­nahme eines dritten Shut­tles. Im September fuhr NAF-Bus 3 dann zwischen Lehe und Lunden. Die zehn Partner des Forschungs­pro­jekts widmeten sich den Voraus­set­zungen für auto­nomen, elek­tri­schen „ÖPNV On Demand“, der Akzep­tanz und dem Nutzer­ver­halten. So wurden u. a. recht­liche und sicher­heits­tech­ni­sche Aspekte unter­sucht, Energiemanagement-Analysen erstellt und Frage­bögen von Fahr­gästen ausgewertet.

Im Projekt „RABus“ – Real­labor für den Auto­ma­ti­sierten Busbe­trieb im ÖPNV in der Stadt und auf dem Land“ in Mann­heim und Fried­richs­hafen geht es um den Betrieb und das Mitschwimmen von auto­nomen Shut­tles im Misch­ver­kehr. Einen hohen Stel­len­wert nimmt die Frage nach der Wirt­schaft­lich­keit ein. In Fried­richs­hafen sollen zwei auto­ma­ti­sierte elek­tri­fi­zierte Busse auf festen Routen zuerst im inner­städ­ti­schen Bereich, anschlie­ßend auch im Über­land­be­trieb (40 bzw. 60 km/h) in den flie­ßenden Verkehr inte­griert werden. Im Stadt­teil Franklin, dem ehemals größten Wohn­ge­biet der US-Armee in Mann­heim, ist geplant, dass bei Projek­tende 2023 zwei autonom fahrende E‑Busse das Quar­tier an die Stra­ßen­bahn anbinden. In Mann­heim entstehen Halte­stellen, in Fried­richs­hafen wird geprüft, ob sich die exis­tenten Halte­stellen hinsicht­lich ihrer Barrie­re­frei­heit für den auto­ma­ti­sierten Shuttle eignen. Die Fahr­zeuge loka­li­sieren sich über Magnet­spots, die noch im Boden einge­lassen werden müssen.

Der Name ist Programm: Forschungs­ge­gen­stand des Projekts „Ride-4All“ in Soest ist Inklu­sion. Sieben Projekt­partner gehen der Frage nach, welche Hard- und Soft­ware ein autonom fahrender Shuttle-Bus benö­tigt, damit ihn alle nutzen können. Seit dem Juli 2021 pendelt SOfia (Soest fährt inklusiv & autonom) dafür auf der Test­strecke vom Soester Busbahnhof zum LWL-Berufsbildungswerk. Das Fahr­zeug von Easy­Mile verfügt über eine elek­tro­ni­sche Rampe und das für auto­nome Fahr­zeuge gesetz­lich vorge­schrie­bene Acou­stic Vehicle Aler­ting System, AVAS. Während der Fahrt scannt es die Strecke über 40 m voraus und sorgt dafür, dass SOfia in einem Sicher­heits­be­reich von 3 m auto­ma­tisch lang­samer wird, wenn es etwas regis­triert. Kommt in einem Abstand von 1,5 m etwas auf das Fahr­zeug zu, bremst AVAS voll­ständig ab. SOfia bewegt sich mit 15 km/h im normalen Stra­ßen­ver­kehr, teils auf der Landes­straße, die von einer 50er- in eine 30er-Zone umge­wan­delt wurde, teils durch eine verkehrs­be­ru­higte Zone. Aufschluss über die Anfor­de­rungen an den barrie­re­freien Betrieb eines auto­nomen Busbe­triebs sollen zwölf Work­shops mit dem Berufs­bil­dungs­werk geben. Die wissen­schaft­liche Begleit­for­schung wertet Erkennt­nisse von Grup­pen­fahrten mit verschie­denen inklu­siven Gruppen aus, zu denen auch Roll­stuhl­fahrer, Blinde mit und ohne Begleit­hund sowie Menschen mit anderen Einschrän­kungen gehören.

Zehn Projekt­partner, fünf Teil­pro­jekte, drei Stre­cken umfasst das Projekt „Shuttle-Modellregion-Oberfranken“ (SMO). Zur Modell­re­gion gehören Kronach, Rehau und Hof. Eine in Hof errich­tete Leit­stelle soll die Shut­tles künftig über­wa­chen. Sendet ein Fahr­zeug unre­gel­mä­ßige Signale aus, soll diese Kontakt zum Operator in dem Shuttle oder zum Hersteller aufnehmen. Zudem soll die Leit­stelle Daten aus dem Live-Betrieb sammeln und über­prüfen. Auch die Hoch­schule Hof wird Infor­ma­tionen für ihr Forschungs­feld „Mensch-Maschine-Interaktion“ aus der Leit­stelle erhalten. Weitere Labor­daten liefert ein in der Hoch­schule nach­ge­bauter Demons­trator des Shut­tles. In der Leit­stelle wird zudem erforscht, ob sich selbst­fah­render Shuttle-Verkehr zentral über­wa­chen lässt und wie viele Personen
dafür erfor­der­lich sind.

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