[Smart City]

City­lo­gistik neu gedacht

Inno­va­tiver Ansatz: Campus­lö­sung Projekt „Berlin M21“.
Visua­li­sie­rungen: Panattoni

Von Fred-Markus Bohne

FWäh­rend die Politik und viele Teile der Wirt­schaft mit den Heraus­for­de­rungen von Pandemie, dem Ukraine-Krieg, Ener­gie­knapp­heit und den zuneh­menden Auswir­kungen des Klima­wan­dels ringen, nimmt die wirt­schaft­liche sowie gesamt­ge­sell­schaft­liche Bedeu­tung der Logistik weiter zu. 

Treiber sind zum einen die lang­fris­tige Verschie­bung des Bestell- und Einkaufs­ver­hal­tens moderner Konsu­menten und der damit einher­ge­hende Boom des Online­han­dels. Gleich­zeitig führen die krie­ge­ri­schen Ausein­an­der­set­zungen in Europa, strikte Lock­downs an chine­si­schen Häfen sowie stei­gende Treib­stoff­preise zu euro­pa­weiten Rück­ver­la­ge­rungs­be­stre­bungen von Gütern mit hoher Bedeu­tung für die Versor­gung von Wirt­schaft und Bevölkerung.

6,6 Mrd. €

gene­rierte der Logistik-Investmentmarkt zum Halb­jahr – Rekord.

4,6 Mrd. €

Quadrat­meter betrug der Flächen­um­satz im ersten Halb­jahr – Rekord.

Quelle: BNP

Städ­ti­sche Logistik­lösungen: Über den Teller­rand schauen

Damit steigt nicht nur die Bedeu­tung von logis­ti­schen Dienst­leis­tungen, sondern auch und gerade von Logis­tik­flä­chen. Dies zeigen unter anderem die anhal­tenden Rekord­werte auf dem Logis­tik­im­mo­bi­li­en­markt der vergan­genen Jahre. Auch in 2022 konnte der Logistik-Investmentmarkt laut Analyse von BNP Paribas Real Estate eine neue Best­marke errei­chen und zum Halb­jahr ein Volumen von 6,6 Milli­arden Euro errei­chen, womit das Ergebnis aus dem vergleich­baren Vorjah­res­zeit­raum um ganze 55 Prozent über­troffen wurde. Auch beim Flächen­um­satz gab es im ersten Halb­jahr einen neuen Rekord­wert mit 4,6 Millionen Quadratmetern.

Vor allem in den Städten und Metro­polen sind zentral gele­gene und gut ange­bun­dene Grund­stücke gefragt, die nah an der urbanen Ziel­gruppe liegen und auch von Mitar­bei­tenden schnell und bequem erreicht werden können. Die mangelnde Flächen­ver­füg­bar­keit in Kombi­na­tion mit stei­genden Anfor­de­rungen sowohl seitens der Nutzer als auch der Kommunen für eine moderne sowie nach­hal­tige Flächen­ge­stal­tung sowie ‑nutzung stellen Projekt­ent­wickler aus dem Logistikimmobilien-Segment vor Heraus­for­de­rungen und fordern immer mehr die Bereit­schaft, über den Teller­rand zu schauen.

Konkret braucht es ganz­heit­liche Flächen­kon­zepte, bei denen Standort, Infra­struktur, Prozesse und die Anfor­de­rungen aller Stake­holder (mit) bedacht werden. Dazu gehören nicht allein die Bedürf­nisse der Nutzer, sondern auch und immer mehr die kommu­nalen Aspekte, ange­fangen bei einer hohen Dritt­ver­wen­dungs­fä­hig­keit, der Stär­kung der regio­nalen Wirt­schaft bis hin zur Setzung städ­te­bau­li­cher Akzente, die von Entwick­lern ein hohes Maß an Erfah­rung und Kompe­tenz verlangen.

Campus­kon­zepte auf dem Vormarsch

Mitt­ler­weile steht Entwick­lern eine Viel­zahl von Ansätzen zur Verfü­gung, ange­fangen von Paket­boxen, dem Refur­bish­ment von Bestands­ge­bäuden oder Hub-Lösungen. Dabei gibt es nicht die eine rich­tige Lösung, die auf alle örtli­chen Gege­ben­heiten gleich gut passt. Viel­mehr benö­tigen Entwickler einen genauen Blick für die Faktoren und Gege­ben­heiten vor Ort, um eine pass­ge­naue Lösung zum Gewinn für Nutzer und Kommune reali­sieren zu können.

Ange­sichts der komplexen Anfor­de­rungen einer zukunfts­fä­higen urbanen Flächen­ent­wick­lung stechen gemischt nutz­bare Campus­kon­zepte aus dem Lösungs­spek­trum heraus, da sie für alle Stake­holder Mehr­werte schaffen. So bieten sie einer­seits mit der Kombi­na­tion mehrerer Flächen­nut­zungs­arten viel­fäl­tige Ansied­lungs­mög­lich­keiten für eine Viel­zahl diverser Bran­chen und Wirt­schafts­be­reiche wie Logistik, Gewerbe, Produk­tion oder Handel mit jeweils unter­schied­li­chen Nutzungs­an­sprü­chen und ‑bedürf­nissen. Für die Kommune bedeutet gerade dieser höhere Nutzermix eine brei­tere Akzep­tanz der städ­ti­schen Bevöl­ke­rung, da die Vorur­teile gegen­über reinen Logis­tik­an­sied­lungen entschärft werden können.

Darüber hinaus können Campus­lö­sungen als Brownfield-Projekte entstehen und damit drin­gend benö­tigte Logistik- und Gewer­be­flä­chen zur Verfü­gung stellen, ohne „grüne Wiese“ versie­geln zu müssen. Hier profi­tieren Kommunen und Nutzer glei­cher­maßen, da die Gemeinden durch Revi­ta­li­sie­rungs­vor­haben über neue und attrak­tive Flächen verfügen, während poten­zi­elle Mieter auf eine bestehende Infra­struktur und eine hervor­ra­gende städ­ti­sche Anbin­dung zurück­greifen können.

City-Dock-Konzepte befinden sich in Berlin Spandau (reali­siert) und Falkensee (in Bau).
Visua­li­sie­rungen: Panattoni

Gemeinsam für mehr Nachhaltigkeit

Egal, für welches Konzept sich Entwickler letzt­end­lich entscheiden, zentral bleibt die essen­zi­elle Rolle von Nach­hal­tig­keit auf der einen sowie des kommu­nalen Dialogs auf der anderen Seite. Immerhin steigen durch die spür­baren Auswir­kungen des Klima­wan­dels die Anfor­de­rungen für eine nach­hal­tige Flächen­ent­wick­lung deut­lich. Gemeinden und Städte sind oftmals selbst bereits im Besitz von Nach­hal­tig­keits­kon­zepten oder orien­tieren sich an den Sustainable Deve­lo­p­ment Goals (SDG) der Vereinten Nationen. Entwickler können hier mit modernen Flächen- und Gebäu­de­kon­zepten unter­stützten und konkrete Lösungen aufzeigen, die auch für Inves­toren und Nutzer unter den Gesichts­punkten der ESG-Kriterien und ihren defi­nierten Nach­hal­tig­keits­be­rei­chen Envi­ron­mental (Ökologie), Social (Soziales) und Gover­nance (Unter­neh­mens­füh­rung) wert­voll sind.

Dabei können sich Lösungen aus den verschie­denen Segmenten gegen­seitig ergänzen. Beispiels­weise ergeben sich Mehr­werte aus der Kombi­na­tion emis­si­ons­armer oder gar emis­si­ons­re­du­zie­render Fassa­den­ele­mente wie Holz, recy­celtem Beton oder Pflanzen und einer attrak­tiven Arbeits­um­ge­bung. Well-Being-Bereiche zur Erho­lung der Mitar­bei­tenden lassen sich sogar mit dem aktiven Schutz und der Beför­de­rung des Arten­schutzes durch Vogel­häuser oder Insek­ten­ho­tels kombi­nieren. Auch der Einsatz inno­va­tiver Lösungen wie natur­naher Luft­fil­ter­an­lagen ist möglich.

Gleich­zeitig können Ansied­lungs­vor­haben nur gemeinsam gelingen. Bereits die 2021 vom Deut­schen Städte- und Gemein­de­bund (DStGB) heraus­ge­ge­bene Studie „Logistik in der Kommune“ hat gezeigt, dass sich Kommunen mehr Trans­pa­renz und Dialog­be­reit­schaft seitens der Wirt­schafts­ver­treter wünschen. Dazu hatte der DStGB mit der Initia­tive Logis­tik­im­mo­bi­lien (Logix) eine Umfrage unter Kommunen deutsch­land­weit durch­ge­führt. Die Studi­en­ergeb­nisse machen klar, dass ohne die proak­tive Kommu­ni­ka­tion mit den Gemeinden sowie ohne Einbe­zie­hung der Bevöl­ke­rung Logistik-Ansiedlungsvorhaben nicht gelingen werden. Entwickler werden sich zukünftig an ihrem Verhältnis zu den Kommunen messen müssen.

Fred-Markus Bohne ist Mana­ging Partner bei Panat­toni Deutsch­land und Österreich.